UNTERWEGS INS VAL BLENIO
Traject Malvaglia - Passo del Laghetto - Ghirone

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Rheinwaldhorn 3402m

Die Wanderung führt im oberen Bleniotal von Malvaglia nach Ghirone, und zwar in die Nähe des Gletschers des höchsten Tessiner Gipfels: des Rheinwaldhorns, italienisch Adula. Die Eindrücke - das Gehen über vom Wasser und vom Gletscher geschliffene Felsen, die frische Luft und der ewige Schnee - sind bisonders stark, wenn man auf der rechten Seite der Val Malvaglia, das sich von 1400 auf 2000 Meter hochzieht, aufsteigt. Hier durchquert man die typischen Weiler (die «Ville»), die bis vor nicht allzu langer Zeit das ganze Jahr bewohnt waren.

Das Val Malvaglia ist eines der faszinierendsten ursprünglichen Täler des Tessin: Hier lässt sich ein Gefühl von Ruhe und Freiheit fernab vom Trubel des Massentourismus erleben. Strenge Vorschriften der Gemeinden und der ausdrückliche Wille der lokalen Behörden, das über Generationen erhaltene Gut - betreffe es nun Gebäude oder die Natur - zu erhalten, machen aus diesem Seitental des Val Blenio eine wahre Perle. Die ganze Region ist denn auch zu Recht im Bundesinventar der schützenswerten Landschaften von nationaler Bedeutung aufgenommen. Seit ein paar Jahren verfügt sie zudem über ein gut markiertes, interessantes Wanderwegnetz. Das Tal zählt fünf kleine Dörfer, die «Ville» Madra, Dandrio, Anzano, Chiavasco und Dagro. Bis vor noch nicht allzu langer zeit waren sie das ganze Jahr über bewohnt, und Dandrio und Anzano verfügten sogar über eine eigene Schule. Heute empfangen sie Feriengäste und Einheimische, die die charakteristischen «Rustici» zu Ferienhäuschen umgebaut haben - mit Respekt vor der Natur und der traditionellen Architektur.

DIE ROUTE

Die Wanderung durch das wunderbare Tal beginnt in Malvaglia (380 m) und endet in Ghirone (1303 m). Sie verläuft durchgehend auf einem rot-weiss markierten Weg und benötigt zwei Tage. Man trifft dabei nacheinander auf die neue Quarnéi-Hütte (Eigentum der Società Alpinistica Bassa Blenio, SABB, Malvaglia) und die zwei Adula-Hütten (Eigentum der UTOE Bellinzona bzw. der SAC-Sektion Ticino, Lugano). Die Tour weist keine besonderen Schwierigkeiten auf. Um den höchsten Punkt zu überwinden (Passo del Laghetto, 2646 m), muss man aber über eine gewisse Erfahrung und Sicherheit im Bergwandern verfügen.

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Blick ins Val Blenio
1. TAG

Vom Dorf Malvaglia (380 m) benützen wir die Sesselbahn, die uns in wenigen Minuten auf ca. 1420 m nach Dagro hinaufbringt. Von dieser wunderschönen Panoramaterrasse aus geniessen wir eine schöne Aussicht über das untere Val Blenio. Von Dagro verläuft die Wanderung immer entlang der geographisch rechten Talseite, wo ein sehr interessanter botanischer Lehrpfad erstellt wird. Der Weg durchquert mehrere kleine Häusergruppen. Nach Cusiä, dem letzten Weiler, führt der Weg in einen lichten Lärchenwald, aus dem wir schliesslich auf die Alpe di Pozzo (1869 m) treten. Von hier erblicken wir die neue Capanna Quarnäi, die auf einem Vorsprung 200 m weiter oben steht und wir erreichen die mit für die Region typischen Materialien erbaute Hütte in einer guten halben Stunde.

2. TAG

Das ziel der zweiten Etappe ist Ghirone, das man in sechs bis sieben Marschstunden erreicht, indem man über den Passo del Laghetto geht und das lange Val di Carassino bis zum Luzzone-Stausee (Lago di Luzzone) durchquert. Von der Hütte folgen wir dem steilen Weg zum Passo del Laghetto (2646 m). Er folgt zuerst dem sumpfigen Gebiet der Alpe di Quarnéi - nach Ottavio Lurati bedeutet der Name Quarnéi «wasserreicher Ort». Dieser geschützte Sumpf überraschte jene, die nach seinem Abfluss suchten, mit dem Fund von Lärchenresten. Das bedeutet, dass die Baumgrenze vor Jahrhunderten viel höher war als heute. Die älteren Bewohner der Region erinnern sich noch an die Seilbahn, die bis zum Ende der fünfziger Jahre die Stämme in zwei Sektionen von der Alpe di Pozzo nach Malvaglia hinunterbrachte. Nach der Traversierung eines steilen, steinigen Couloirs kommt man zum Pass, wo sich ein schöner, kleiner See befindet. Die Ruhe dieses wilden Ortes lädt zur Rast ein.

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Passo del Laghetto
Der Aufenthalt am Fuss des Adula-Gletscher, der auch unter dem Namen Bresciana-Gletscher bekannt ist und zum Rheinwaldhorn gehört, wo wir die kalte Luft aus den Spalten und den Geruch des ewigen Schnees spüren, ist ein einmaliges Gefühl. Wir verfolgen unsere Wanderung und wenn wir beim Abstieg vom Passo del Laghetto die Mittelmoräne erreichen und den Gletscherbach überqueren, können wir nicht anders, als einen Moment anhalten und die grosse Eismasse bestaunen. Eine Masse, die allerdings jedes Jahr - unter anderm wegen der Klimaerwärmung - mehr schwindet, und zwar in einem beeindruckenden und deshalb beunruhigenden Tempo: Man spricht von einem jährlichen Rückgang von zehn Metern. 1998 hat sich der Gletscher an gewissen Stellen sogar um 50 Meter zurückgezogen. Bei dieser Geschwindigkeit werden die meisten Tessiner Gletscher in 20 Jahren verschwunden sein. Die beiden grössten Gletscher - Adula und Basodino - werden sicher noch eine Weile Widerstand leisten; aber wenn der Rückgang unvermindert weitergeht, werden auch sie nur ein paar Jahrzehnte länger Bestand haben.

Die Route führt hinunter vom Pass zu den zwei Adula Hütten. Zuerst überqueren wir ein paar vom Gletscher zurückgelassene Moränen. Dort, wo der Wanderer heute ruhig durchgeht, gab es damals fünf Meter hohe Eis- und Schneemauern ! Diese Vorstellung lässt uns schaudern, während wir von einem Stein zum andern über den Wildbach, der aus dem Innern des Adula-Gletschers hervorsprudelt, hüpfen. Einmal auf der Mittelmoräne des Gletschers angelangt, den wir auf der rechten Seite bewundern können, steigen wir über eine weitere Moräne auf. So erreichen wir die Capanna Adula UTOE Bellinzona (2393 m). Eine knappe Wegstunde von hier gelangen wir, über einen steilen Grashang absteigend, zur Adula Hütte der SAC-Sektion Ticino (Capanna Adula CAS). Sie thront auf 2012 m auf einer schönen Terrasse hoch über dem Val Soi. Beide Hütten sind ideale Ausgangspunkte für die Besteigung des Rheinwaldhorns.

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Lago di Luzzone
Nachdem wir die Capanna Adula verlassen haben, folgen wir dem bequemen Fahrsträsschen, das über die Alpen Bresciana, Cassimoi, Carassino und della Holla durch das Val Carassino führt. Die Alpe della Holla, wo man übrigens hervorragenden Alpkäse kaufen kann, befindet sich in der Nähe eines kleinen Staubeckens (1707 m). Die Strasse führt weiter in Richtung des Luzzone Stausees. Wir erreichen ihn, nachdem wir am Fuss des Sosto (das «Matterhorn des Val Blenio») durchgegangen sind und einen Tunnel durchquert haben. Die Luzzone-Staumauer wurde kürzlich um 17 Meter erhöht, um das Fassungsvermögen des Stausees von 87 auf 107 Millionen Kubikmeter zu vergrössern. Dies erlaubt, einen Teil der Stromproduktion vom Sommer auf den Winter zu verschieben - übereinstimmend mit der Schweizerischen Energiepolitik. Die Ausbauarbeiten begannen 1995 und wurden im Oktober 1998 beendet. Vom See erreichen wir das Dörfchen Ghirone in einer guten Stunde auf einer asphaltierten Strasse oder auf dem markierten Weg.

ALLGEMEINE INFORMATIONEN:

Diese Wanderung kann von Ende des Frühlings bis Anfang des Herbsts unternommen werden; im Herbst sind die Farben der Wälder, Sümpfe und Felsen besonders schön. Und die Tour weist keine besonderen Schwierigkeiten auf, verlangt aber doch eine gute Portion Erfahrung und Kenntnisse des Bergwanderns. Die Besteigungen - wie etwa jene des Rheinwaldhorns - erfordern mehr Erfahrung; sie sind zu einem grossen Teil nicht markiert (siehe Clubführer Tessiner Alpen 3, Von der Piora zum Pizzo di Claro von Giuseppe Brenna).

ANREISE UND RÜCKREISE

Mit der Eisenbahn bis nach Biasca, von hier mit dem Bus der «Autolinee Blenesi» bis nach Malvaglia. Von Ghirone Rückfahrt nach Biasca mit dem gleichen Bus.

AUSRÜSTUNG:

Diese Wanderung führt zum Teil durch alpines Gelände. Man muss sich also mit guten Wanderschuhen und warmen Kleidern ausrüsten.

HÜTTEN

Capanna Quarnéi, das ganze Jahr offen, 50 Plätze.
Tel. 079/31 1 48 08.
Hüttenwart:
Hedi Ghisla-Müller
Via Sotto-centrale 6
6512 Giubiasco
Tel. 091/857 46 80 oder 079/311 48 08.
Eigentum der SABB Malvaglia
6713 Malvaglia/Ti
Tel. 091/870 11 45

Capanna Adula CAS, das ganze Jahr offen, 35 Plätze
Tel. 091/872 15 32
Hüttenwart: Sergio Lutz, Torre
Tel. 091/871 18 67
Eigentum der SAC-Sektion Ticino, Lugano

Capanna Adula UTOE, das ganze Jahr offen, 100 Plätze
Tel. 091/872 16 75
Hüttenwartin:
Miriam Saurenmann, Camorino
Tel. 091/857 18 94
Eigentum der UTOE Bellinzona.

KARTEN UND FÜHRER:

- SLK 1:25000 Blatt 1253 Olivone
- SLK 1:25000 Blatt 1273 Biasca

Clubführer Tessiner Alpen 3, Von der Piora zum Pizzo di Claro von Giuseppe Brenna
(SAC-Verlag, Bern 1996)



Lange Afstand Wandelvereniging "VIA-VIA".

Gegenereerd op 20-02-2002 door C.P.J. Aerssens